Mittwoch, 15. Juni 2016

Winston Churchill - der Mann des Jahrhunderts


Gestern (14. Juni 2016) war Themenabend auf Arte. Es ging um Großbritannien und den möglichen Ausstieg des Landes aus der EU. Am 23. Juni, also in acht Tagen, stimmen die Briten über den „Brexit“ ab. Der Ausgang ist mehr als ungewiss. Ich kann die Enttäuschung vieler Europäer über die „Fehlkonstruktion“ der Europäischen Union gut nachvollziehen, obwohl ich im Prinzip für ein vereintes Europa bin.
Zu später Stunde zeigte der Sender mit der Dokumentation „Sir Winston. Der Mann des Jahrhunderts“ (Winston Churchill – Un geant dans le siecle) einen 90minütigen Film über den mehrmaligen britischen Premierminister Winston Churchill (1874 – 1964).

Ich mochte diesen Mann noch nie. Aber ich kannte auch nicht viel von ihm. Ich weiß nur, dass er (Hitler-) Deutschland hasste und dass er es offenbar war, der die Bombardierungen deutscher Städte befahl. Dieses Kapitel wurde in der Dokumentation allerdings ausgeklammert. Immerhin wurde gesagt, dass die Bombardierung eines Vororts von London durch die deutsche Luftwaffe zu Beginn des Krieges (den Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich am 3. September 1939 erklärt hatten[1]) eigentlich nicht beabsichtigt war, sondern aufgrund eines Navigationsfehlers „versehentlich“ geschah. Das war am 24. August 1940. Als Churchill daraufhin am nächsten Tag wutentbrannt und gegen den Rat seiner Generäle Berlin – absichtlich – bombardieren ließ, wurde Hitler seinerseits wütend und schlug erst jetzt mit Bombardierungen Londons, Devons, Coventrys und anderer südenglischer Städte zurück. Aber die Briten blieben trotz zehntausender Toter gelassen und sagten: „London can take it“ (Das steckt London weg).
Die Kausalität dieser Ereignisse wird in herkömmlichen Geschichtsdarstellungen verschleiert. Hier wird sie einmal wahrheitsgetreu erzählt. Es wird fairerweise auch festgestellt, dass die deutschen Messerschmids zu Beginn der „Battle of England“ im Juli und August 1940 zunächst nur „militärische Ziele“ in Südengland bombardierten und nicht, wie die Alliierten am Ende des Krieges, als das Dritte Reich im Grunde schon besiegt war, auch die Zivilbevölkerung treffen wollten.
In der französischen Dokumentation von David Korn Brzoza wurde deutlich, wie stark die Deutschen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wieder waren und wie sie in den ersten Kriegsjahren von Sieg zu Sieg „stürmten“. Hitlers Armee schien im Jahre 1940 „unbesiegbar“. Die Welt hatte wieder Respekt vor Deutschland. In diesem Jahr wurde Winston Churchill mit 65 Jahren zum ersten Mal zum britischen Premierminister gewählt. Der Premierminister ist nun in seinem Element. „Er strotzt vor Energie. Die Bulldogge ist zum Löwen geworden“, sagt der Kommentator des Films.
Churchill war der Architekt der alliierten Allianz gegen Hitler-Deutschland. Er holte die Amerikaner mit Roosevelt, die das Empire bereits seit Kriegseintritt mit Waffen und Munition versorgen, und die Russen mit Stalin mit „ins Boot“, um dieses Deutschland nach fünf mörderischen Jahren schließlich zu besiegen.  Sein Hass auf Deutschland, das ihm 1915 während des Ersten Weltkrieges als Verbündeter des Osmanischen Reiches vor Gallipoli in den Dardanellen eine vernichtende Niederlage beschert hatte, war grenzenlos. Er wollte Deutschland „eine Lektion erteilen, die es und die Welt nicht mehr vergessen würde“, wie er in einer Rede vor dem amerikanischem Kongress am 26. Dezember 1941, zwei Wochen nach Pearl Harbour,  formulierte. Diese Drohung ist wahr geworden.
Im August 1942 reist Churchill nach Moskau, um sich mit Stalin zu treffen. Auch ihn kann er überzeugen, eine „zweite Front“, zunächst in Nordafrika (Operation „Torch“), zu eröffnen und die „Achsenmächte“ (Deutschland und Italien) dadurch „in die Zange zu nehmen“. Dadurch wird der fähigste der deutschen Generäle, Feldmarschall Erwin Rommel, „gebunden“ und kann nicht zur Ostfront wechseln, wo es vor Stalingrad zur ersten Niederlage der sonst siegreichen deutschen Armeen kommt. Churchills Strategie geht auf.
Den jungen Churchill, der in der Schule als faul und undiszipliniert auffiel, nennen seine Mitschüler nur „die kleine Bulldogge“, was eigentlich sehr gut seinen Charakter beschreibt. Bulldoggen sind Kampfhunde. Eine seiner Lehrerinnen soll gesagt haben: „Für mich war er das boshafteste Kind der Welt.“ Das lässt tief blicken.
Sein Vater, Lord Randolf Churchill, starb nach einem ausschweifenden Leben am 24 Januar 1895 mit 46 Jahren an Syphilis. Auch seine Mutter, eine Amerikanerin, amüsierte sich gern und hatte sogar ein Verhältnis mit König Edward VII. Winston Churchill wird 90; aber er stirbt am gleichen Jahrestag wie sein Vater, genau am 24. Januar 1964. Er war allerdings die letzten Lebensjahre ein schwer kranker Mann, wie ich einem Buch entnehme, das schon lange in meiner Bibliothek steht: Pierre Accoce/Pierre Rentschnick, „Kranke machen Weltgeschichte“ (Ces malades qui nous gouvernent), Editions Stock 1976, Econ-Verlag 1978, Moewig-Taschenbuch, 1981 (S 130 – 144).
In der Dokumentation erfahre ich, dass es Churchill war, der bereits im Ersten Weltkrieg als Marineminister den Flottenbau der Royal Navy forcierte (und zum Beispiel die gefürchtete „Dreadnought“ bauen ließ), der die Entwicklung der Royal Airforce (RAF) vorangetrieben hat, der Panzer entwickelte, britische Radaranlagen installierte und schließlich auch den britischen Geheimdienst MI6 ins Leben rief.
Es heißt in dem Film, dass Churchill am 10. Mai 1940, dem Tag, an dem Hitler Belgien, Luxemburg und Holland angriff, „seine Stunde gekommen“ sah, von der „er geträumt hatte“. „Er glaubt, nur für diesen Augenblick gelebt zu haben“, sagt der Kommentator. Der Zweite Weltkrieg ist für Churchill eine „persönliche Angelegenheit“ und „die Krönung seiner Karriere“. Seine stärkste Waffe aber ist seine „Sprachgewalt, an der er seit nunmehr vierzig Jahren feilt“. Dabei hat der Premier wie sein König Georg VI einen Sprachfehler. Er lispelt. Darüber spricht der Film aber nicht.
Rudolf Steiner sagt einmal in seinen Karma-Betrachtungen, dass Menschen, die in einem früheren Leben viel gelogen haben, mit einem Sprachfehler in die nächste Inkarnation treten würden. Das würde zu Winston Churchill passen.
Berühmt ist in diesem Zusammenhang auch seine Rede an die britische Regierung und an das britische Volk, die in dem Film im Originalton zu hören ist: Er habe dem britischen Volk nichts anderes zu bieten, als „Blood (Blut), Toil (Mühsal), Tears (Tränen) and Sweat (Schweiß)“. Der Höhepunkt seiner Rede beschwört dreimal  den „Sieg um jeden Preis“ als einziges Kriegsziel, und der Agnostiker Churchill schämt sich nicht, sogar Gott auf Englands Seite in seinen Kampf gegen die „Schlimmsten Verbrecher der Menschheitsgeschichte“ einzubeziehen. Churchill wird in einer Wochenschau nach dem D-Day (06.05.1944) „The Architect of Victory“ genannt. Bekannt ist auch das zur Ikone geronnene Bild Churchills, das ihn zeigt, wie er mit Daumen und Zeigefinger das „V“ macht, das Victory-Zeichen. Manche haben sich schon gefragt, ob das nicht vielmehr eher ein okkultes „Satanssymbol“ ist.
Winston Churchill, der seit frühen Jahren unter Depressionen leidet, braucht die Herausforderungen durch den Krieg und durch den Feind, um „glücklich“ zu sein. Das gibt seinem Leben einen Sinn. Als er 1945 abgewählt wird, fällt er zurück in seine Depressionen. Der Mann isst gerne gut, raucht unzählige Havanna-Zigarren und liebt den Whisky. Am Tag nach seiner Kongress-Rede in Washington hat er eine Herz-Attacke. Er zwingt seinen Arzt, Lord Maron, die „Schwäche“ geheim zu halten, um das eben beschworene Bündnis mit den USA nicht zu gefährden.
Auch der engste Berater von Präsident Roosevelt, Harry Hopkins, der den Kontakt zwischen den beiden Staatsmännern hergestellt hatte, war ein kranker Mann. Ihm wurde bereits 1939 ein Teil des Magens entfernt, weil er Krebs hatte. Der in erster Ehe mit der Jüdin Ethel Gross verheiratete Hopkins starb bereits am 29. Januar 1946 mit 55 Jahren.
Der Kettenraucher Franklin Delano Roosevelt (FDR) war ihm am 12. April 1945, noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, mit 63 Jahren vorausgegangen.
Zwei Monate zuvor, am 11. Februar 1945, hatte der amerikanische Präsident zusammen mit dem britischen Premierminister und dem sowjetischen Diktator Josef Stalin im Rokoko-Palast von Jalta auf der Krim den Vertrag unterzeichnet, der die Nachkriegsgeschichte Europas bis 1989 bestimmen sollte. Die ganze Welt wurde in „Einflusssphären“ aufgeteilt, in den Ostblock und in den Westblock. Das Britische Empire war bedeutungslos geworden. Nun gab es nur noch zwei Supermächte auf dem Planeten, die sich die Welt teilten.
Es war der Brite Winston Churchill, der die Grenze zwischen den beiden Blöcken, die mitten durch das geteilte Deutschland und dessen ehemalige Hauptstadt ging, zum ersten Mal im März 1946 in einer Rede an der Universität von Fulton/Missouri als „Iron Curtain“ (Eiserner Vorhang) bezeichnete, der von „Stettin in the Baltic“ bis nach „Triest in the Adriatic“ die kommunistische von der „freien“ Welt trennen würde.
Aber seine Depressionen („the black dog“) holten Churchill nach dem Sieg über Nazi-Deutschland und vor allem nach der verlorenen Parlaments-Wahl am 25. Juli 1945 wieder ein. Er möchte „sterben wie Roosevelt“. Sein Leben empfindet er „als Hölle“. In seiner Ehe ist er „nur noch gereizt“. Seine Frau Clementine schreibt in einem Brief an ihre Tochter Mary: „Anstatt uns gegenseitig zu stützen, streiten wir ständig. Er ist so unglücklich.“
Der beginnende Zerfall des „Empires“ trägt zu seiner schlechten Stimmung bei. Er kann nicht ertragen, dass die nun regierende Labourpartei 1948 der Unabhängigkeit Indiens zustimmt.
Nachdem er 1951 noch einmal zum Premierminister gewählt worden ist, dankt Winston Churchill am 4. April 1955 endgültig ab. Später resigniert er auch im Leben und sagt: „Ich habe so viel getan, um letztendlich nichts zu tun.“ Auch muss er erleben, wie seine Familie zerfällt. Das bedrückt ihn sehr: Sein ältester Sohn Randolph, ein „Schürzenjäger“, trinkt zu viel und macht beim Spiel Schulden, auch seine Tochter Sarah „macht mehr durch Alkoholexzesse von sich reden als durch Schauspielerei“, seine zweite Tochter Diana „hat sich während einer sehr tiefen Depression das Leben genommen“. „Nur die jüngste Tochter Mary scheint ihr Leben zu meistern und kümmert sich um ihre Eltern“.
Dass dieser Staatsmann von manchen heute noch verehrt wird und als ein Genie in die Geschichte eingegangen ist, verwundert mich. Aber ich verstehe es jetzt besser.



[1] Im Film heißt es allerdings verschleiernd dazu: „Als Hitler sechs Monate später Polen überfällt, treten Frankreich und England in den Krieg ein“ (Minute 40). Das ist die übliche Halbwahrheit, mit der die Geschichte „verdreht wird“. Frankreich und England sind nicht in einen schon begonnenen Krieg eingetreten, sondern haben den Krieg „erklärt“. Der „Überfall“ Polens durch Hitler war ihnen der willkommene Anlass. Diese Kriegserklärung wird auch in dem tendenziösen Film über den britischen König Georg VI., „The King’s Speech“ aus dem Jahre 2010 thematisiert, den ich erst vor ein paar Wochen (am 06. Mai) zum ersten Mal sah (bei einem Themenabend auf 3SAT („Adel verpflichtet“).

Donnerstag, 9. Juni 2016

Wer die "Westeinbindung" der Bundesrepublick Deutschland wollte und durchgeführt hat. Ein paar Hinweise


Ich glaube nicht an Zufälle (eigentlich habe ich noch nie daran geglaubt). 
Gestern hatte ich den Versuch einer Antwort auf die Frage, ob mein Denken „antisemitisch“ sei, weil ich für die Argumente mancher sogenannter „Antisemiten“ ein gewisses Verständnis aufbringe und mich zumindest auf sie einlasse, ohne sie von vorneherein mit einem „Schlagwort“ abzustempeln, wie es heute unter den politisch Korrekten üblich ist, zu denen ich mich NICHT zähle, in meinen „Kommentaren zum Zeitgeschehen veröffentlicht, als ich „zufällig“ in den scheinbar unendlichen Weiten des Internets auf einen Film von Joachim Schröder mit dem Titel „Germany made in USA“ stoße.
Ich weiß nicht, ob das auch nur so ein „antisemitisches Machwerk“ ist, wie es von den „Konsens-Deutschen“ schnell abgetan wird. Bei einer ersten Nachforschung werden mir aber die wesentlichen Fakten, die der Film aufzeigt, bestätigt. Es geht um die „Umerziehung“ (Reeducation) der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Diese Umerziehung wurde offensichtlich vom amerikanischen Geheimdienst CIA koordiniert. Der Hauptverantwortliche war damals ein gewisser Frank Wiesner. Die Aktion firmierte unter dem Code-Name „Pocketbook“ (Taschenbuch).  
Es wurden damals mit Geldern der CIA die Amerika-Häuser in den nach der Zerstörung wiederaufgebauten deutschen Hauptstädten eingerichtet, in denen sich die Deutschen „unzensierte“ Bücher ausleihen und Vorträge über das neue demokratische Vorbild USA anhören konnten. Es wurden deutsche Intellektuelle gefördert, die in der von der CIA finanzierten Monatszeitschrift „Der Monat“ publizieren durften. Es wurden Gewerkschaftsfunktionäre finanziell unterstützt, damit sie sich klar gegenüber dem Kommunismus absetzten. Es wurde mit dem RIAS Berlin ein amerikanischer Sender in Deutschland installiert, der den „freien“ Westen gegen den kommunistischen Osten verteidigen sollte. Und es wurden schließlich sogar deutsche Politiker wie Konrad Adenauer und später auch Willy Brand „umworben“.
Die größte Angst der Amerikaner war offenbar, dass das Nachkriegsdeutschland (wie Österreich oder die Schweiz) neutral werden würde. Die Bundesrepublik sollte fest in das „nordatlantische Verteidigungsbündnis“, die von den USA dominierte NATO, eingebunden werden. Auch wollten jene Kreise verhindern, dass sich West- und Ostdeutschland wiedervereinigten.
Das alles war nicht ganz neu für mich, weil ich mich immer wieder mit den „verdeckten Aktionen“ der CIA in der ganzen Welt beschäftigt habe. Das muss man tun, wenn man wirklich etwas von der Geschichte der Nachkriegszeit verstehen möchte. Auch der "neue" Blick auf die Geschichte Deutschlands, wie man ihn in den historischen Standardwerken, zum Beispiel in der mehrbändigen „Deutschen Geschichte“ aus dem Propylen-Verlag, hier vor allem in den letzten Bänden, vorfindet, ist offensichtlich vom „United States Information Service“ der CIA gelenkt worden.
Was mich nun besonders verwundert hat und was ich bisher noch nicht wusste, ist, dass in diesen Zusammenhängen auch einige Angehörige der jüdischen Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielten. Neben den Reuther-Brüdern (Victor und Walter), die sich besonders um die deutschen Gewerkschaften und die SPD-Politiker kümmerten, waren das vor allem Marvin J. Larsky und Jay Lovestone.
Über all diese Akteure kann man auf Wikipedia viel Interessantes erfahren, besonders über den letztgenannten, seitdem Ted Morgan im Jahre 1999 über ihn unter dem Titel „A Covert Life“ eine Biographie veröffentlicht hat.
Ich will hier nicht weiter auf Einzelheiten eingehen und auch nicht eine neue „Verschwörungstheorie“ aufstellen. Aber wenn ich feststellen muss, welchen Einfluss in den Fünfziger und Sechziger Jahren ausgerechnet Juden auf die „Gestaltung“ Deutschlands hatten, dann wundert es mich nicht mehr, wenn es heute immer mehr Menschen gibt, die von einer „jüdischen Weltverschwörung“ sprechen. Ich gehöre nicht dazu, aber ich habe für diese Ansicht ein gewisses Verständnis.

Allerdings bleibe ich nicht dabei stehen, sondern versuche als Anthroposoph, die tieferen, geistigen Hintergründe für solche „Konstellationen“ herauszufinden.

Dienstag, 7. Juni 2016

Erich Kästner, Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn




Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.

Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe. 
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!

Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will 
- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!

Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen 
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.

Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein. 
Es könnte glücklich sein und glücklich machen.
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.

Selbst Geist und Güte gibt's dort dann und wann! 
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.

Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. 
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
1928


Erich Kästner (1899 – 1974), der deutsche Schriftsteller, der besonders durch seine Kinderbücher und seine humoristischen Gedichte  bekannt geworden ist, hat im Jahre 1928, also während der Weimarer Republik, ein eher untypisches Antikriegsgedicht mit dem Titel „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?“ verfasst, das ich in folgendem Aufsatz interpretieren werde.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen.
Die Schlüsselwörter in der ersten und in der letzten Strophe sind die gleichen: „Kanonen“ (I,1 und VII, 3) und „Kasernen“ (I,4 und VII,2). In der ersten Strophe erinnern die Büros in diesem Land, das im ganzen Gedicht nicht genannt wird, also anonym bleibt, an Kasernen und die Prokuristen, „stolz und kühn“ (I,3), die gewöhnlich eher sitzen, hier aber „stehn“ (I,3), an militärische Befehlshaber, ja an Generäle. In der letzten Strophe wird behauptet, dass alles, „was man“ in diesem Land „auch baut“ (VII,2) also nicht nur die Büros, „stets Kasernen (…) werden“ (VII, 2). Es ist also eine deutliche Steigerung von der Aussage in der ersten bis zur Aussage in der letzten Strophe. Damit ist auch schon das Thema des Gedichts ausgesprochen. Es geht um Militär und Militarismus.
Die mittlere, also die vierte Strophe, die das Gedicht inhaltlich deutlich in zwei Teile gliedert, handelt von den „Kindern“ (IV,1), die in diesem Land geboren werden. Auch dabei wird wieder das Militärische betont, denn die Kinder werden nicht als „Zivilisten“ (IV,3) geboren, sondern kommen „mit kleinen Sporen (…) auf die Welt“ (IV, 1+2), also als Mitglieder der berittenen Einheit, der Kavallerie. Das ist natürlich übertrieben und nur im metaphorischen Sinne gemeint.  Die „gezognen Scheitel“, die sie ebenfalls mitbringen, wenn sie auf die Welt kommen, erinnern fatal an den Ausdruck „gezogne Säbel“. Das Gedicht will sagen, schon die Babys in diesem Land seien geborene Militaristen.
Natürlich werden die Kinder in Wirklichkeit auch in diesem Land nicht mit Sporen an den Füßen geboren. Aber es ist eben ein Bild, genauso wie die „unsichtbaren Helme“ (II,2) und die „Gefreitenknöpfe“ die „unterm Schlips (…) wachsen“ (II,1) in der zweiten Strophe. Die Menschen, die in diesem Land leben, sind offenbar vom „Scheitel“ (IV,1) bis zu den Füßen (IV,1) auf Militär geeicht. Denkende „Köpfe“ (II,3) haben diese Menschen offenbar nicht, wie die zweite Strophe weiter unterstellt, sondern nur „Gesichter“ (II,3).
Dieser Gedanke wird in der dritten Strophe wiederum gesteigert, indem gesagt wird, dass die „Vorgesetzten“ in diesem Land es am liebsten hätten, wenn „der Verstand“ der Untergebenen „erst stramm und zweitens still“ (III,3) stünde. Am besten wäre es, wenn sie sich nicht einmal dagegen wehren würden, sondern wie beim Militär die Befehle „Augen rechts“ (III,4) und „Schnauze“  halten (IV,4) ohne Widerspruch befolgen würden. Dass dazu kein „Rückgrat“ benötigt wird, kann man ebenfalls der dritten Strophe (III,4) entnehmen. Der aufrechte Gang ist in diesem Land nicht gefragt.
Dabei hat dieses Land alles, um seine Bewohner „glücklich zu machen“ (V,3), wie es in der fünften Strophe heißt, die den zweiten Teil des Gedichtes einleitet, der nach dem negativen nun auch ein positives Bild von dem Land zeichnet. „Dort“ gibt es nämlich „Äcker, Kohle, Stahl und Stein/ und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen“ (V,3 + 4).
Also nicht nur materielle Güter und die bürgerliche Tugend des „Fleißes“ gibt es, sondern neben der „Kraft“ auch noch „Geist“ und „Güte“ (VI,1), wie uns die nächste Strophe beteuert. Allerdings nur „dann und wann“ (VI,1) und „nicht bei vielen“ (VI,2), wie das Gedicht gleich einschränkend anmerkt. Das Gedicht verweist sogar auf das „wahre Heldentum“ (VI,2), das aber nichts mit Militarismus zu tun hat. Das falsche Heldentum zieht das Gedicht ins Lächerlich-Kindische, wenn es davon spricht, dass die Männer dieses Landes am liebsten wie Kinder „mit Bleisoldaten spielen“ wollen.
Dadurch greift das Gedicht das zentrale Motiv der vierten Strophe wieder auf und kehrt es um. In der Mitte des Gedichtes ist von den Kindern die Rede, die schon als Soldaten geboren werden, in der sechsten Strophe von den Erwachsenen, die wie Kinder werden, die mit Bleisoldaten spielen.
Aber auch hier wird einschränkend konstatiert, dass dies in jenem Land ja „nur“ bei „jedem zweiten Mann“ (VI, 3) der Fall ist. Das ist aber, wenn man genau rechnet, genau die Hälfte aller Männer. Mit dieser versteckten Ironie relativiert Erich Kästner in seiner bekannten Weise den Inhalt der zweiten Hälfte (fünfte und sechste Strophe) seines Gedichtes, welche die positiven Aspekte jenes Landes andeutet. Der streng symmetrische Aufbau des Gedichtes bekommt dadurch „Schlagseite“. Die „Militaristen“ sind in dem Land offensichtlich in der Mehrheit gegenüber den wenigen „Pazifisten“. Deshalb kann in diesem Land auch nicht „die Freiheit“ reifen (VII,1), wie in der letzten Strophe resignierend festgestellt wird.
Das Gedicht ist also streng gegliedert in einen Rahmen (erste und siebte Strophe), in eine Mittelachse (vierte Strophe) und in zwei antithetische Teile, die jeweils aus zwei Strophen bestehen (Strophen zwei und drei und Strophen fünf und sechs). Die formale Strenge des Gedichts drückt sich auch aus in dem konsequenten Kreuzreim nach dem Schema abab mit abwechselnd männlichen und weiblichen Kadenzen.
Die Form des Gedichtes entspricht also dem Inhalt und damit gleichzeitig dem Wesen des Militärs, wo es auf Ordnung und Perfektion ankommt. Dieses Ordnungsschema wird in der mittleren Strophe geschickt angedeutet, wo von dem „gezognem Scheitel“ (IV,2) die Rede ist, mit dem die Kinder dieses Landes geboren würden. Das ist natürlich eine ironische Übertreibung, weil die meisten Kinder in Wirklichkeit haarlos, geschweige denn mit „gezognem Scheitel“ auf die Welt kommen. Aber dieses Bild des „Scheitels“ ist ein Bild der Ordnung. Hiermit wird angezeigt, dass das zunächst wild wachsende Haar durch die ordnungsliebenden Eltern gebändigt wird. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Autor die Metaphern des „Wachsens“ (II,2), „Blühens“ (I,1 und VI, 3) und „Reifens“ (VII,3), die er aus der Natur entlehnt, durchgängig in seinem ganzen Gedicht verwendet. Auch der Ausdruck, „bleibt grün“ (VII,1), der in der letzten Strophe vorkommt, gehört in diesen Bildzusammenhang.
Eine gewisse Verfremdung entsteht dadurch, dass er den Begriff des „Blühens“ schon im Titel des Gedichtes mit „Kanonen“ in Verbindung bringt. Das passt doch gar nicht, will man als Leser sofort einwenden. Erich Kästner bezieht sich dabei auf ein in Deutschland seiner Zeit sehr bekanntes Goethe-Gedicht, das die Sehnsucht der Deutschen nach dem südlichen Italien thematisiert: „Mignons Lied“ aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ beginnt mit der Zeile „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?“ Dieses Gedicht dient Kästner gleichsam als Blaupause für sein eigenes Gedicht. Mit diesem Gedicht im Hintergrund stellt er gleichsam die Frage: Was ist aus dem Land geworden, in dem einmal solch berühmte Gedichte das Bildungsbürgertum erfreuten. Wieso hat sich die Kulturnation des 18. Jahrhunderts in das militaristisch geprägte Land der Gegenwart verwandelt?
Natürlich meint Kästner mit dem Land, das er im Gedicht nur mit dem Adverb „dort“ näher bezeichnet, Deutschland, ja das Deutschland der Zwanziger Jahre, das bereits absehbar auf die Barbarei des Dritten Reiches zusteuert. Italien, das Land, auf welches das Goethe-Gedicht anspielt, ist zu dieser Zeit schon ein faschistisches Land (seit 1925). Die zweimal gestellte Frage, „Du kennst es nicht?“ ist in Wirklichkeit gar keine Frage, sondern eine Aufforderung, genau hinzuschauen. Wenn der Leser das anhand des Gedichtes tut, dann wird er das Land schon kennenlernen.
So klingt der letzte Satz gleichsam wie eine Aufforderung, die einen drohenden Unterton hat: Schau nur hin, wo sich in diesem Land überall Anzeichen des wachsenden Militarismus zeigen, dann wirst Du schon merken, welches das Land ist, in dem die „Kanonen blühn“.

Es ist gut, dass Kästner das Land nicht mit Namen nennt, sondern die Frage offen lässt. Dadurch bleibt das Gedicht auch heute noch aktuell, denn es kann jedes Land gemeint sein, in dem Militarismus herrscht. Die Aufforderung, das Land kennenzulernen, „in dem die Kanonen blühn“, ist auch heute noch notwendig. Leider aber verschließen auch in der Gegenwart immer noch allzu viele Menschen die Augen vor den warnenden Signalen. Diese gibt es zum Beispiel in den Beziehungen zwischen Amerika und Russland, so, dass der russische Ministerpräsident bei der letzten Münchner Sicherheitskonferenz (am 13.02.2016) schon vor einem „neuen kalten Krieg“ warnte, der schnell zu einem heißen werden kann, wenn die NATO in den einstigen Staaten des Warschauer Paktes, also an der unmittelbaren Grenze zu Russland, immer öfters Manöver durchführt und die militärischen „Muskeln spielen“ lässt.